Sein Werk

Blick für Details

Hell und Dunkel – Licht und Schatten – mit welchen Mitteln wird es wiedergegeben, wann fällt das Licht auf welche Seite? Wie erfasse ich die hellen und dunklen Seiten des Unsichtbaren in seinem äußeren Spiegel? Was sagen Mund und Auge, Kinn und Haaransatz, was die buschige oder fein hochgezogene Augenbraue? Wo finden sich die einzelnen Teile zum harmonischen Ganzen vereint?
Und dann diese Liebe, dieser Blick für das Detail: Für die Faltenbündel am Hosenbein, am Ellenbogen, an Mütze und Kopftuch der alten Frau. Der gebeugte Rücken des jungen Mannes und auch seine Kopfbedeckung verraten tägliche schwere Arbeit, vielleicht auch Sorgen und Lasten, von denen er zuviel tragen muß…. Je länger wir in das Bild eintauchen, desto intensiver tritt es uns entgegen – es kommt von selbst und erzählt uns seine Geschichte.

Ein Sinnbild schaffen

Da ist der Mensch – groß und gewaltig, klein und hilfsbedürftig. Das Portrait hatte Josef Pollak von Jugend an fasziniert, das menschliche Gesicht, sein Ausdruck, hinter dem sich das Innere verbirgt. Auch hier gilt ein Satz Prof. Gollwitzers, nach dem der Künstler ein Sinnbild, jedoch kein Abbild schaffe. Das heißt, wenn er all jene Vorraussetzungen erlernt hat die nötig sind, um aus der schnellen Skizze, aus der flüchtigen Impression eine tiefe Beziehung werden zu lassen. Wenn alle Elemente der Körper- und Formsprache längst „einverleibt“ sind, wenn die Proportionen stimmen, die Details wie Mosaiken so zu einem Ganzen zusammengesetzt wurden, dass sie ein Spiegel der Seele sind. Oder auch, wenn sie den Künstler nur einfach angerufen, berührt, festgehalten haben. Denn nicht er hält das Bildnis fest – das Bild hält ihn.

Alt Delmenhorst

„Ich fand die reizvollsten Ecken da, wo sonst keiner Zutritt hatte, auf den ehemaligen Grundstücken von Rasch und Siemer im Bereich des heutigen City-Centers. Die alten Rotsteinbauten, winklige Gänge und Gärten mit dem Blick auf andere Giebel waren mir oft sehr auswertbare Punkte.“
Alt-Delmenhorst war Josef Pollak derart vertraut, innerlich präsent, dass ihn einzelne Motive nicht los ließen, bis er sie in seiner Grammatik durchdekliniert hat. Für ihn hieß das: umsetzen in verschiedene Wetterstimmungen, in barockes Kurvenspiel einbeziehen, dem Motiv in unterschiedlichen Maltechniken zu Leibe rücken.

Vom Chaos zur Ordnung

Da ist er: der Delmenhorster Wochenmarkt. Unzählige Male in schönsten Bildern wiedergegeben. Josef Pollak hat ihn gezeichnet, mit Skizzen zunächst aufgefangen, Ausschnitte aus dem scheinbaren Durcheinander von Menschen und Körben, Schirmen, Kisten und Kästen, Blumen und Obst und Gemüse, Fleisch und Fisch und Käse, den jungen und alten Frauen und Männern, den Ökobauern und den traditionellen Händlern. Bis dann eine Ordnung, eine Anordnung wie von selbst entstand. Was der Marktmeister mit festen Standplätzen arrangiert, wie menschliches Verhalten nach festen Regeln abläuft, so findet sich auch die Gesetzmäßigkeit des Chaos. Alles Einfache führt zum Komplexen – und umgekehrt.

Begegnungen im Alltag

Menschen, immer wieder Menschen – in Gruppen, vereinzelt, zusammen, getrennt. Abbilder ihrer selbst: gebeugt und gerade, locker und verkrampft, in irgendeiner Situation eingefangen. Eine Gruppe Unbekannter, die nichts miteinander zu tun haben, außer dass ein gemeinsames Bedürfnis nach Nähe sie an der Kaffeebar zusammenstehen lässt. Sie wechseln einige Worte, trinken ihren Tee oder Kaffee und entfernen sich wieder, ohne sich noch einmal umzublicken. Josef Pollak nimmt sie manchmal alle mit. Ganz schnell hat er die kleine Runde auf seinen Zeichenblock gebannt – erst zuhause wird eine Komposition entstehen, ein Bild voller Spannung und erzählerischer Kraft.

Mit Bäumen verwachsen

Bäume: Bunt, bizarr und knorrig, erdverwachsen und dem Himmel nah, Symbole für Werden und Wachsen und Vergehen, für den Kreislauf des Lebens. Bäume – sie sind eine der schönsten und vielleicht auch schwersten Herausforderungen für den Zeichner. Er beginnt vielleicht mit einem Blatt, einem kleinen, flächigen grünen Ding das, von allen Seiten gedreht und beleuchtet, alle Möglichkeiten seines Seins nun durch die Hand des Künstler erfährt. Dann folgen Zweige, Äste, Stämme – Formen wie Ofenrohre – Verzweigungen, schließlich der bildhafte Ausschnitt aus dem großen Ganzen, bis dieses herangewachsen ist durch die Vervollkommnung und Fähigkeit des Zeichners, den Riesen der Natur zu bändigen. In allen Tages- und Jahreszeiten, bei Wind und Wetter stehen wir vor einem neuen Anfang: der Auseinandersetzung mit seinen botanischen Formen und einer lebendigen Fülle von spezifischen Erscheinungen. Josef Pollak liebt, was er zeichnet.

In der Natur zuhause

Als Autodidakt, als aufmerksamer Beobachter und eifriger Schüler, der von den Bildern großer Meister und von der Natur am meisten lernte, eroberte sich Josef Pollak seine ganz persönliche Wiedergabe der Welt, die ihn umgibt. Voller Poesie sind seine Landschaften und Naturimpressionen. Seine Winterspaziergänge in eine verwunschene Welt. Dörfliche Ruhe und Abgeschiedenheit liebt er, was wir selten noch in uns und außerhalb finden: Ausgeglichenheit und Harmonie.

Blumenbilder und Stilleben

Die Blumenbilder und Stilleben schienen ihm besonders am Herzen gelegen zu haben. „Es muß eine Farbenpracht zum Hineinhauen sein“, begeisterte er sich, für eine Bilderauswahl anläßlich einer bevorstehenden Ausstellung. Stockrosen und Amaryllen! Große auffällige Schönheiten!“ Die Gegenstände auf den Stilleben gingen mit ihren realen Vorbildern, den Flaschen und Gläsern auf den Fensterbänken seiner Wohnung, eine eigentümliche Verbindung ein. „ Ich verwende gern Glasflaschen, auf deren Oberfläche ich Licht aufblitzen lasse, wie die Phantasie sie mir eingibt. Die Gläser, die ich in meinen Stilleben verwende, sind oft mit einer rubinroten Flüssigkeit gefüllt.“

Eine Entdeckungsreise

Wie zufällig, mit leichter, schneller Hand, scheint diese Skizze einer Berglandschaft hingeworfen. Doch die Komposition ist schon vollbracht, die Linienführungen zeigen den leichten Anstieg des Berges, der von letzten Fichten bewachsen und gehalten wird, bevor die Geröllzone der Gipfelregion beinahe alles Lebendige hinter sich lässt. Im Vordergrund liegen die ersten steinernen Vorboten und ein vor langer Zeit schon zerborstener Stamm mutet uns an wie ein Mahnmal. Sehr weit entfernt spielen Licht und Schatten mit Höhen und Tiefen, Gletscherschluchten und Tälern einer lang gestreckten Bergkette – die Zeichnung enthält bereits alle Elemente einer spannenden künstlerischen Entdeckungsreise.

Hafenträume

Im Hafen von Neuharlingersiel entstand lediglich eine kleine Skizze, die das innere Auge später an das erinnern soll, was der Künstler voller Bewegung und Freude aufgenommen hätte:
Farben, Formenvielfalt und Atmosphäre eines kleinen, malerischen Hafens an der Nordseeküste. Im Atelier dann verwandelte sie sich in neue Kompositionen nach den Gesetzmäßigkeiten der Malerei.

Gewaltig, mächtig – stoisch

Eine Aufgabe, die ihm alles abverlangte: die Tierzeichnung – sie wurde zu seinem Thema, zu einer Passion, die ihn mit anatomischen Bedingungen und Bewegungsabläufen konfrontierte, ihn erneut herausforderte. So wie er die einzelnen Glieder der Hand bis hin zum Fingernagel in äußerster Akkuratesse und ihrer ganzen wunderbaren Feingliedrigkeit gezeichnet hatte, so machte er sich daran, Wirbelsäule, Körperbau, Gelenke und Hufe des Tieres von der visuellen Aufnahme in die motorische Wiedergabe zu übertragen – bis er sie im Schlaf zeichnen konnte: von vorne, knieend, liegend, wiederkäuend, Gewaltig, mächtig, stoisch – eine Kuh.

Vierbeiner und Vogelarten

Aus seinem Bekanntenkreis ist zu erfahren, dass er noch mit 75 Jahren wegen der Skizzen von Kühen mit dem Fahrrad unterwegs gewesen sei. Die Vierbeiner haben den Maler zeitweilig sehr in Anspruch genommen. Um die Plastizität ihrer Körper zu erreichen, geht er von der Skelett-Zeichnung aus. Dieses gründliche Verfahren hat jedoch den Nachteil, in der bewegten Natur nur mit äußerster Geduld anwendbar zu sein. Sind die Bewegungen der Tiere erst einmal auf die Seiten seines Skizzenblocks gebannt, gehören sie zu seinem festen, abrufbaren Bestand, zu den unzähligen vielen Momentaufnahmen eines Augenmenschen.

Reiseskizzen

Pollaks Bewunderung für die lockere ostasiatische Tuschzeichnung und sein ständiges Üben von Pinselzeichnungen haben Pollak zu einer eigenen Laviertechnik geführt. „Das präzise Artikulieren“, sagte er, „muß ständig geübt werden. Ich habe selbst mal Klavier spielen wollen“, fuhr er fort, „Etüden üben, dann spielen, ohne zu denken, genauso ist es mit der Malerei.“
Während seiner Reisen erweist sich dieses technische Rüstzeug als das adäquate Mittel, die vielfältigen und teilweise überwältigenden Eindrücke von profaner und sakraler Architektur in raschen Bildern aufzuheben.

Interieurmalereinen

„…auch bei Interieurmalereien von Kirchen beispielsweise begreife ich die Architektur aus ihren eigenen Gesetzen, ganz aus dem Grundriß, aus der Geometrie. So habe ich mir die Gotik in verschneiten Ruinen erarbeitet. Barock, so finde ich, ist der am meisten malerische Stil. Darum habe ich diese Formen am eingehendsten bearbeitet. Das rein Visuelle ist für mich ausschlaggebend gewesen. Ob es Sakral- oder Profanbauten, ob es Schlösser, Plastiken oder Rahmen sind, das ist für mich gleichgültig.“